Fahrradwegweisung:
Qualitätssicherung und Validierung

Auslöser mich erneut und diesmal wesentlich systematischer mit der Wegweisungsthematik zu beschäftigen waren Sprünge in der Kilometrierung, die mir im März 2016 auf einer Tour auf dem von mir mit-initiierten Bergischen Panorama-Radweg aufgefallen waren. Glaubt man den Schildern hatte sich die Entfernung zum Ziel zwischen zwei nur 300 m voneinander entfernten Standorten um 10 km verringert. So einen Schnitt hätte ich gerne öfters.

Was war da passiert? Für die Analyse hat es sich als ausgesprochen hilfreich erwiesen, dass ich auf dieser und einer kurz darauf folgenden Tour im unmittelbaren Umfeld sämtliche Schilder abfotografiert und so Daten zur Verfügung hatte, die das Schilderkataster des Landes noch nicht hergab. So ließ sich tatsächlich nachvollziehen, wie diese Inkonsistenzen durch Routenverlegungen, Erweiterungen des bestehenden Netzes und unterschiedliche Bezugspunkte für einzelne Ziele zustande gekommen waren. Und durch die Betrachtung der Wegweiser im Kontext wurden weitere, nicht ganz so offensichtliche Mängel erkennbar.

Sensibilisiert für die Problematik war schnell klar, dass es sich nicht um einen regional begrenzten Einzelfall handelt. Auch in anderen Bundesländern ist ähnliches zu beobachten, und besonders anfällig scheinen Länder- oder Kreisgrenzen überschreitende Routen zu sein. Wie lassen sich also solche und vielfältige andere Mängel in der Radwegweisung möglichst von vornherein vermeiden?

Zur Lösung dieser Aufgabe muss man nicht zwangsläufig mit Buisiness-Intelligence-Techniken vertraut sein, aber es erleichtert vieles. Bei Business Intelligence geht es – kurz und knapp ausgedrückt – darum, aus Daten Informationen zu gewinnen. Die Qualität der zur Verfügung stehenden Daten ist dabei von entscheidender Bedeutung für die Aussagekraft und Verlässlichkeit der daraus gewonnenen Erkenntnisse. Ein gutes Datenqualitätsmanagement ist daher essentiell für den Erfolg von BI-Projekten. Und Wegweisungssysteme? Das sind letztendlich auch nur Ansammlungen von Daten, aus denen sich Muster und Regeln ableiten lassen.

Schritt 1: Ableitung des Datenmodells

Um die vorhandene Wegweisung strukturiert analysieren zu können wurde ein Datenmodell entwickelt, das Wegeweisungssysteme hinsichtlich der Elemente, die für Netzaufbau und Wegweiserinhalte benötigten werden, vollständig abbilden kann. Während die Wegweiserinhalte und -standorte im vorhandenen Kataster prinzipiell gut dokumentiert sind, fehlen dort wesentliche Informationen, die den Netzaufbau und das Zustandekommen von Entfernungsangaben transparent, nachvollziehbar und letztlich reproduzierbar machen. In das Modell sind zum einen die in den entsprechenden Richtlinien niedergelegten Regeln eingeflossen, zum anderen hat die Auswertung von Fehlerbildern wertvolle Hinweise auf sinnvolle weitere oder unklare Regeln geliefert.

Die Grundzüge des Modells wurden in der Ausarbeitung "Ansätze für ein erweitertes Qualitätsmanagement der Fahrradwegweisung" skizziert. Die Diskussion der Ergebnisse in dem für die Radwegweisung in NRW zuständigen Lenkungskreis zeigte, dass dort bereits ein großes Bewusstsein für die Thematik vorhanden ist, eine grundlegende Verbesserung aufgrund finanzieller Zwänge und rechtlicher Rahmenbedingungen allerdings schwierig sei.

Damit schlossen sich für mich nahtlos die nächsten Fragen an: Welchen Aufwand würde ein Kataster bedeuten, das tatsächlich alle während des Planungsprozesses getroffenen Entscheidungen dokumentiert und auf der Grundlage eines Regelsets eine automatisierte Validierung erlaubt? Und wie weit sind wir bei der Radwegweisung eigentlich in einer Gesamtsicht vom Idealzustand entfernt?



Radverkehrsnetz meets Business Intelligence:
Ansätze für ein erweitertes Qualitätsmanagement
der Fahrradwegweisung in Nordrhein-Westfalen

Schritt 2: Exemplarische Bestandsaufnahme

BI-Projekte leben von großen Datenmengen. Nur mit einer ausreichend großen Stichprobe lassen sich Muster zuverlässig erkennen und potentielle Fehlerquellen identifizieren. Daher habe ich für die weitere Analyse eine etwas näher gelegenen Region für eine flächendeckende Bestandsaufnahme gesucht, die mit Kreisgrenzen überschreitenden Routen, aneinandergrenzenden lokalen Netzen und nachträglichen Verdichtungen durch Themen- und Knotenpunktrouten ein möglichst vielfältiges Spektrum der Netzentwicklung zeigt. Die Wahl fiel auf den Bereich links und rechts des Rheins südlich von Köln bis Bonn. Für die Städte und Gemeinden Brühl und Wesseling im Rhein-Erft-Kreis, Alfter, Bornheim, Niederkassel und Swisttal im Rhein-Sieg-Kreis sowie Bonn wurde die HBR-Wegweisung vollständig und die Altwegweisung soweit ohne weitere Quellen offensichtlich fotografisch dokumentiert. Sofern vorhanden wurden auch die Wartungsaufkleber auf den Pfosten erfasst.

Schritt 3: Prototypische Katasterdatenbank

Die bei der Bestandsaufnahme angefallene Datenmenge ist schon so groß, dass sie nur mit einer effizienten Ablage von Daten und Fotografien (aktuell 6500 Fotos von 1800 Knoten) zu handhaben ist. Es wurde daher entsprechend dem in den "Ansätzen" skizzierten Datenmodell eine Datenbank implementiert, die automatisierende Elemente enthält und Plausibilisierungen der Eingaben ermöglicht. Wegpunkte können z. B. mit Hilfe von gpx-Dateien eingelesen oder exportiert werden, sodass sich für Analysezwecke und Auswertungen leicht kartographische Darstellungen verschiedenster Knoteneigenschaften erzeugen lassen.

Schritt 4: Netzanalyse – Zielverzeichnis und nächste zielrelevante Knoten

Während die standortbezogenen Daten in Katasterblättern in der Regel gut dokumentiert und für NRW – soweit gepflegt – zumindest für das Landesnetz allgemein einsehbar sind, fehlen hier zwei Elemente, die eine zentrale Voraussetzung für eine Validierung der Zielwegweisung sind: Den Zielangaben und Zielpiktogrammen ist in der Regel nicht zu entnehmen, auf welchen konkreten Zielknoten sie sich beziehen. Das können (sollten es aber nicht) für die "A-Stadt" mit dem Zielpiktogramm "Bahnhof" durchaus unterschiedliche Punkte sein, was ziemlich verwirrend sein kann. Um dem zu begegnen wurde ein Zielverzeichnis eingeführt, dass die Ziele eindeutig benennt und verortet und so einer Gemeinde zuordnet. Die Zielangaben der Wegweiser werden dann wiederum diesen Zielknoten zugeordnet, wodurch sich alle Knoten einer Zielspinne zusammenfassen lassen.
Zur Prüfung der Kontinuität der Zielwegweisung und der Korrektheit der Kilometrierung müssen die Einzelzielangaben definierten und unterbrechungsfreien Routen auf das Ziel hin zugeordnet werden. Zu jedem Wegweiser wird daher der nächste zielwegweisungsrelevante Knoten vermerkt, sodass sich die Knoten zu Ketten verbinden lassen. Für Zielangaben, die im Nahbereich eines Ziels durch andere verdrängt wurden, werden Platzhalter eingefügt. Analog wird verfahren, wenn die Zielkontinuität verletzt wird und unterwegs einzelne Angaben fehlen.
Mit Hilfe der nächsten zielwegweisungsrelevanten Knoten lässt sich zudem auf einfache Weise überprüfen, ob alle Einschübe für eine Themen- oder Knotenpunktroute vorhanden sind oder abseits der beabsichtigten Streckenführung auftauchen. Auch für diese Routen müssen sich lückenlose Ketten ergeben, wenn man sich von Zielwegweiser- zu Zielwegweiser-Knoten "hangelt". Der entscheidende Punkt ist, dass die nächsten zielrelevanten Knoten auf die einzelnen Wegweiser und nicht nur die Knoten bezogen werden.

Schritt 5: Auswertung und Quantifizierung

Ist der physische Zustand und Inhalt aller Wegweiser in der Datenbank erfasst, lässt sich die Qualität der Radwegweisung in einer Gemeinde oder anderen Gebietseinheit unter verschiedenen Gesichtspunkten auswerten. Aggregierte Kennzahlen und kartographische Darstellungen helfen bei der Einschätzung des Gesamtzustand und der Erkennung räumlicher Schwerpunkte, Detaillisten können direkt als Arbeitsgrundlage für die Beseitigung evtl. vorhandener Mängel verwendet werden.
Eine erste beipielhafte Auswertung wurde für die Stadt Wesseling erstellt. Für die geannten anderen Kommunen soll dies in einer etwas stärker standardisierten Form erfolgen; die Ergebnisse werden nach und nach den Kommunen bzw. Kreisen übergeben.



Radverkehrsnetz meets Business Intelligence:
Qualitätssicherung der Fahrradwegweisung in der Stadt Wesseling, Rhein-Erft-Kreis

Schritt 6: Best Practices

Während der Bearbeitung der für die Modellregion erfassten Daten hat sich bestätigt, dass die für die Wegweisung relevanten Richtlinien nur einen Teil des Regelsets darstellen, der für die Validierung benötigt wird. Es ist bemerkenswert, wie weit die einzelnen Länder-Regelwerke voneinander abweichen. Mancher stringenten Regel wünschte man eine größere Verbreitung, wodurch die Wegweisung insgesamt klarer und verständlicher würde.
Der Bereich des Katasters ist in den Richtlinien so gut wie ausgeklammert. Hier wären z. B. eine einheitlichere Handhabung der Knoten-Definition und die Eindeutigkeit von Pfosten- und Knotennummern hilfreich, die zum einen die Validierbarkeit unnötig behindern und zum anderen selbst Fehler verursachen (im konkreten Fall: Einschub in falschem Wegweiser mit anschließendem Routenverlust).
In diesem letzten Schritt werden daher die länderspezifischen Regelungen gegenübergestellt und zusammen mit den weiteren identifizierten Business-Regeln zu Best Practices verdichtet.



Radverkehrsnetz meets Business Intelligence:
Best Practices für die Fahrradwegweisung

(in Vorbereitung)


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